Zeltleben.
13 Mai, 2023
Zeltleben. Zeltschreiben.
Bald wieder. Wie hier, irgendwo zwischen Polarkreis und Nordkap, auf meiner Radreise in dreißig Tagen von Nürnberg zum Nordkap.
Eigentlich mache ich meine Radreisen ja nur, um einen Vorwand zu haben, im Zelt leben zu können. Zelte sind Paläste für mich. Und Orte, in denen ich in einer Illusion von Sicherheit und Heimat ungestraft schwelgen kann. Während draußen der Wind rauscht und die Nacht manchmal kein Ende hat.
Im Zelt denke ich immer an Margaret Atwoods großartigen Kurzgeschichten-Band „Das Zelt“. Darin schreibt sie:
„Warum glaubst du, dass dein Schreiben, diese Graphomanie in einer dürftigen Höhle, dieses Hin- und Her- und Rauf- und Runtergekritzel auf den Wänden dessen, was nun wie ein Gefängnis vorzukommen beginnt, in der Lage sein sollte, überhaupt irgendjemanden zu beschützen? Dich eingeschlossen. Es ist eine Illusion, dieser Glaube, dass dein Buchstabensalat eine Art Panzer ist, so etwas wie ein Zauber, denn niemand weiß besser als du, wie zerbrechlich deine Welt in Wirklichkeit ist.“
Gut geht es nicht aus. Aber Hoffnung bleibt. Der Text endet so:
„Wind kommt herein, deine Kerze fällt um und flammt auf, und eine lose Ecke des Zeltes fängt Feuer, und durch den sich weitenden, schwarzgeränderten Riss kannst du die Augen der Heulenden sehen, rot und im Licht deiner brennenden Papierzuflucht glänzend, aber du schreibst trotzdem weiter, denn was sonst kannst du schon tun?“
Was sonst?
