#unpink – Der neue Ladies Only Sexismus

20 April, 2018

Bike and Pole Ladies Camp im Bikepark Leogang, Ortliebs Aktion Ride Beyond Stereotypes, Fahrtechnikkurse exklusiv für Frauen. Etcetera pp. Die Angebote exklusiv für Frauen im Bikebereich boomen. Der Tenor: Die Selbstermächtigung der Frau. Der Ausruf: Auch Frauen können Radfahren. Aber der vermeintlich darin enthaltene feministische Fortschritt ist trügerisch. Denn: Eben im AUCH tritt genau jenes reaktionäre System zutage, das eigentlich überwunden werden soll.
„Wir suchen dich“ titelt der Radzubehör-Hersteller Ortlieb auf seiner Aktionseite ridebeyond.ortlieb.org. „Werde Teil des Bikepacking-Ladiescamps“. Und in der Kurzbeschreibung dann die vermeintlich provokant gestellte Frage: „Bikepacking ist nur was für Männer? Blödsinn, für Frauen ist es genauso ein Abenteuer, eine Herausforderung, ein Dream-come-ture […]“. Das Titel-B des „Blödsinn“ ist dabei groß und pink hinterlegt. Das Logo der Aktion: Eine pinke, stilisierte Lotusblüte mit Kettengliedern darunter. Der Titel: Ride Beyond Stereotypes. Das Schmuckbild der Seite: Eine Frau, die auf das offene Meer blickt, ein Fahrrad bei sich. Daneben – mit dem lächelnden Gesicht zum Beobachter – eine blonde Frau mit pinkem Fahrradhelm und pinkem Trikot. Über der Szenerie liegt ein pinker Filter, der alles in pastellenes Licht taucht. Bezeichnend, dass eine Aktion, die sich die Überwindung der Gender-Stereotype buchstäblich in den Titel geschrieben hat, sich eben dieser Klischees bedient, um ihre Aktion zu vermarkten. Angefangen bei der Lotusblüte als erwähltem Symbol, die in der Tradition Asiens für Reinheit, Liebe und als Sinnbild einer guten Ehe steht (dass die „Gutheit“ dieser Ehe primär von patriarchalischen Strukturen definiert ist, muss hier wohl nicht extra erwähnt werden) und in China auch schlicht das weibliche Geschlechtsteil symbolisiert bis hin zum pinken Overkill – die propagierte Überwindung der Stereotypen negiert sich selbst in der Vermarktung derselben.
Das Ziel: Die Etablierung des Bildes der selbstermächtigten, modernen (oder gar postmodernen) Frau, die dem Mann in nichts nachsteht. Ein hehres Ziel. Eines, für das es sich zu kämpfen lohnt. Das Paradoxe: All die Ladies Camps, die Women´s Camps und die Ladies Only Aktionen befördern genau das Gegenteil.
Denn:
Die propagierte Gleichberechtigung und Gleichwertigkeit der Geschlechter negiert sich in dem Moment selbst, in dem ein exklusiv für Frauen ausgelegtes Event ins Leben gerufen wird. Warum wollen wir Frauen „unter uns“ bleiben? Weil wir mehr „über Frauensachen quatschen wollen“ auf dem Trail? Weil wir schwächer sind als die Männer am Berg? Jede Begründung für die (freiwillige) Isolation fußt auf einem Stereotyp. Und dabei waren es doch eben diese Stereotypen, die wir mit unserer Isolation von den Männern, loswerden wollten.
Keine Frage, Männer und Frauen unterscheiden sich.
Aber Geschwindigkeiten auf dem Trail oder Kommunikationsverhalten sind keine genetischen Veranlagungen, sondern kulturelle Sozialisation. Ebenso wie Gender an sich. Frauen stammen von der Venus und Männer vom Mars, weil der soziokulturelle Kanon uns auf diese und andere Bauernweisheiten seit jeher konditioniert. Gleichberechtigung lässt sich nicht durch die Trennung der Geschlechter erreichen. Auch nicht, wenn diese „gut gemeint“ ist.
Wer die Gleichberechtigung internalisiert hat, für den macht der Satz „Für Frauen ist Bikepacking genauso ein Abenteuer wie für Männer“ keinen Sinn – außer natürlich einen grammatikalischen. Dem Satz liegt eben der Stereotyp zugrunde, gegen den sich die Aktion von Ortlieb doch eigentlich aussprechen will. Denn: Es scheint ja notwendig sein zu betonen, dass mit dieser Aktion etwas doch Ungewöhnliches gewagt wird – nämlich, dass Frauen, Gott bewahre, ohne ihr kiloschweres Schminktäschchen aus dem Hause gehen und sich auf das Nötigste beschränken können – ebenso wie die von Haus aus minimalistischen Männer – wenn sie sich nur genug anstrengen. Warum muss erst betont werden, dass Frauen das auch können?
Natürlich können sie.
Frauen können Kinder aus ihrem Leib herauspressen, alleinerziehend einen Haushalt schmeißen, demonstrieren und wählen gehen. Warum muss betont werden, dass sie AUCH Freiheit wollen,  dass sie AUCH auf einem Rad sitzen können, ohne direkt herunterzufallen? Warum wird das Selbstverständliche zum Außergewöhnlichen abstrahiert und dieser letztliche Rückschritt dann noch als progressiv gefeiert? Das ist ungefähr so, als würde im ausgehenden 19. Jahrhundert die seltene Frau bewundert, die sich in der männerdominierten Gesellschaft einen politischen oder literarischen Status erkämpft hat. Eine „außergewöhnliche“ Frau? Die relevante Trennlinie liegt doch nicht zwischen den Geschlechtern, sondern zwischen soziokultureller Diskriminierung und deren Gegenteil. Sie hat es nicht geschafft, OBWOHL sie eine Frau ist. Sie hat es geschafft, weil sie die kulturellen und sozialen Hürden, die ihr die Gesellschaft in den Weg gelegt hat aufgrund ihres Geschlechts, überwunden hat.
Jedes Ladies Only Event, jedes Women´s Camp schreibt insofern genau das Frauenbild weiter, mit dem zu brechen es gelobt. Die Selbstermächtigung pinked sich selbst zugrunde, indem sie sich fein säuberlich eben der stereotypischen Topoi bedient, die sie zu überwinden propagiert. Das ist kein Umdenken, das ist Reaktionismus im pinken Scheinmantel der Selbstermächtigung. Wir brauchen keine Exklusivität, wir brauchen das Mittendrin. Wir brauchen kein Pink, wir wollen sämtliche Farben! #unpink