RIDE YOUR F**** BIKE! Von Nürnberg zum Nordkap in 30 Tagen – EPISODE 3: Vom Fortgehen und Ankommen
7 März, 2018
Last episode on Nora Beyer´s „RIDE YOUR F**** BIKE! Von Nürnberg zum Nordkap in 30 Tagen“…
Die vermaledeite Route habe ich endlich auf mein GPS geschaufelt. Das Know-How von Velocita Custom Bicycles habe ich als Super-Joker im Rücken. Und langsam fliegt die Zeit und der Moment des Abschiednehmens vom heimeligen Bett und dem guten, alten bekannten Tageintagaus ist mehr als nur ein vager Schemen irgendwo am Zeithorizont. Zwischen Arbeit, Artikeln und allgemeinem Alltag bleiben kaum Momente der Ruhe, die mich mein Vorhaben gebührend reflektieren lassen. Zeit, Geschwindigkeit herauszunehmen. Zumindest für einen Augenblick, ein paar wenige Zeilen lang.
Einmal Luft holen.
Innehalten.
Nachdenken.
Über´s Fortgehen und Ankommen.
Heimat ist abstrakt. Fern, letztlich. Das eben ist das Paradoxe an ihr. Sie wird erst in der Ferne körperlich. Sie ist gewissermaßen nur aus der Fremde beobachtbar. Ich bin oft fortgegangen. War nach meinem Schulabschluss monatelang in Russland und der Mongolei allein unterwegs und in der absoluten Weite der Steppe relativiert sich vieles. Letztlich auch der Begriff von Heimat. Heimweh, das hat man, wenn man jung ist, dachte ich lange. Später ist das nicht mehr so. Falsch. Heimweh haben wir immer. Nur ist die Heimat, nach der wir uns jeweils sehnen, eine ganz und gar wandelbare. Wer jemals gereist ist (und ich meine damit nicht das Guinness-Buch der Rekorde-Reisen, wer in welcher Rekordzeit alle Länder der Welt besucht hat), weiß, dass Heimat überall ist. Im unwahrscheinlichsten Winkel finden wir unerwartete Herzlichkeit, Anekdoten, Geschichten, ein Lächeln am Wegrand. Und wir lassen etwas von uns auf jedem Stück des Weges, den wir gehen. I WAS HERE. Wir brauchen die Botschaft nicht in irgendwelche Stämme ritzen oder auf irgendwelche Toilettentüren taggen. Das erledigt schon unser Herz für uns. Indem wir hinausgehen, hinterlassen wir zwingend Spuren. Und das da Draußen hinterlässt Spuren in uns.
Da ist…
Das Schild mitten im Nirgendwo bei -27 Grad in der westlichen Mongolei. Was darauf steht? Keine Ahnung. Wohin es führt? Keine Ahnung. Aber vielleicht zeigt es einfach nur, dass es in der vermeintlichen Leere immer einen Weg gibt, der irgendwohin führt. Dass es keine Sackgassen gibt im Leben. Nur Brücken, Übergänge und – sicher – manchmal Brüche. Aber keine Dead Ends, keine Sackgassen.
Da ist…
Der nervlich strapazierende aber optisch berauschende Augenblick, einer Sturmfront davonzuradeln, irgendwo im Norden Spaniens auf dem langen Weg von Zuhause nach Santiago de Compostela und wieder Nachhause.
Da ist…
Dieser Hund auf einem winzigen Hof und familiären Campingplatz irgendwo in Belgien nach irgendwas über 3.000 km auf dem Sattel, der sich spontan in mein mühsam gebratenes Steak verliebt.
Da ist…
das Glück, draußen zu sein. Den ganzen Tag. Unter der Sonne. Im Regen. Egal. Aber draußen. Auf dem Rad. In eine Richtung fahrend. Immer der Nase nach. Bis sämtliche Körperteile unterschiedliche Pigmentierungen aufweisen.
Da ist…
Der Perspektivwechsel, der alles Reisen bedingt und zugleich ausmacht. Wir müssen raus da. Aus der Tür. Aber auch aus unseren Köpfen.
Da ist…
Der Triumph. Und die Niederlage. Und zu lernen, dass beides nur kognitive Konzepte sind, die keiner Realität entsprechen und deshalb – letztlich – einerlei. Oder, wie Kipling schrieb: To meet with triumph and Disaster / And treat those two impostors just the same.
Und: Das Blumenpflücken am Wegrand nicht vergessen!
Da ist…
Das Fortgehen.
Das Ankommen.
Vor allem aber ist da das Weitergehen. Das Weiterfahren. Angst vor dem Fremden haben, dem Unbekannten, bis es nicht mehr fremd ist. Nicht mehr unbekannt. Bis es Heimat wird. Ein kleines Stückchen Heimat, das wir durch den Weg, auf dem Weg, erfahren und uns zu Eigen machen. So wie sich der Weg selbst uns immer ein wenig zu Eigen macht.
Was wird wohl diesmal sein?
Was werde ich am Nordkap hinterlassen? Und was das Nordkap in mir?